Eine von vielen
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Lesung

Elfriede Hartmann wurde am 21. Mai 1921 als Tochter einer Handarbeitslehrerin und eines jüdischen Versicherungsbeamten in Wien geboren. Sie inskribierte nach der Matura Chemie an der Universität Wien, musste ihr Studium aber als „Mischling 1. Grades“ 1940 aufgeben. Ab 1938 war sie Mitglied des kommunistischen Jugendvereins, und in dessen Rahmen Mitglied der „Gruppe Soldatenrat“, die auch innerhalb der Wehrmacht Anhänger fand. Als die Gestapo 1942 die Gruppe zerschlug, Elfriede Hartmann gemeinsam mit ihrem Freund Rudolf Masl (Rudi) verhaftete und in das Polizeigefängnis der Gestapo (genannt „Liesl“) einlieferte, war Hartmann noch keine 21 Jahre alt. Sie wurde 22. September 1943 vom 5. Senat des VHG zum Tode verurteilt und am 22. November 1943 hingerichtet. Ihr Freund Rudolf Masl war einige Monate vorher geköpft worden. Insgesamt wurden 1183 Menschen aus dem Polizeigefängnis der Gestapo vom Wiener Landesgericht verurteilt und von den Nationalsozialisten hingerichtet.

Elfriede Hartmann schrieb aus dem Gefängnis Briefe, Kassiber, meist eng beschriebene Papier- oder Stoffstücke, die in Kleidersäume eingenäht, aus dem Gefängnis herausgeschmuggelt wurden. Ihre Schwester, Gerda Hartmann, nach dem Krieg Mitglied der sozialistischen Partei und Juristin im Rathaus, bewahrte diese Kassiber ein Leben lang in einer Schuhschachtel auf. Johanna Mertinz übernahm 1990 den Nachlass ihrer Wahltante Gerda; sie entzifferte die schwer lesbaren Stofffetzen, schrieb sie ab und gab sie der Zeitschrift Wespennest zur Veröffentlichung. Sie stellte die Textcollage für diese Matineé zusammen.

Margarete Schütte-Lihotzky wurde am 23. Jänner 1897 in Wien geboren und ist die wohl bekannteste Architektin Österreichs. Zwischen den beiden Weltkriegen hat sie für die Wiener Siedlerbewegung, das Neue Frankfurt und die neuen Städte der Sowjetunion geplant und gebaut. Die von ihr entworfene „Frankfurter Küche“ ist weltberühmt. 1937 emigrierte das Ehepaar Schütte aus Deutschland zuerst in die Sowjetunion und dann in die Türkei. Von dort aus war Margarete Schütte-Lihotzky ab 1940 im Österreichischen Widerstand aktiv und reiste wiederholt nach Wien. Am 22. Jänner 1942 wurde sie von der Gestapo in Wien verhaftet und in das Polizeigefängnis „Liesl“ eingeliefert.

Sie war damals 44 Jahre alt und entging knapp einem Todesurteil. In „Erinnerungen aus dem Widerstand, Das kämpferische Leben einer Architektin von 1938 – 1945“ (Wien 1994) erzählt sie von ihrer Haft im Polizeigefängnis der Gestapo. Nach dem Krieg lebte sie in Wien, wo man sich kaum mehr an sie erinnerte. Erst in ihrem 97. Lebensjahr erhielt sie einen kleinen Bauauftrag, und mit 98 Jahren - immerhin als erste Frau – das Ehrendoktorat der technischen Universität Wien. Sie starb am 18. Jänner 2000.

„Wenn ich nicht brenne,

wenn du nicht brennst,

wie sollen wir dann Licht

in die Dunkelheit bringen.“

[Ein Gedicht des türkischen Dichters Nazim Hikmet, das Elfriede Hartmann ihrem Maturazeugnis beigelegt hatte.]