Matinee / Ulrich Becher
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Lesung

Ich lebe in der Apokalypse

Zum 100. Geburtsjahr Ulrich Bechers lesen Anja und Martin Roda Becher aus Ulrich Bechers Briefen an die Eltern im Exil.

Der aufstrebende Schriftsteller Ulrich Becher wird durch die Machteinsetzung Hitlers am 30. Jänner 1933 zu einem „Niemand“ – so heißt auch sein Stück, dessen Uraufführung in Berlin verboten wird. Er flieht aus Deutschland und durchstreift unstet das noch freie Europa. Das Exil macht ihn abhängig von den Zuwendungen des vermögenden Vaters. Erst nach und nach begreifen Eltern und Sohn die Situation: daß es nun ums nackte Überleben geht, nicht um eine literarische Karriere.

Letztlich bleibt Becher und seiner Frau Dana, Tochter von Alexander Roda Roda, nur die Flucht nach Brasilien. 1944 gelingt die Weiteremigration nach New York. Hier schreibt er mit dem Wiener Schauspieler Peter Preses die tragische Posse „Der Bockerer“.

Der Exilbriefwechsel Ulrich Bechers mit seinen Eltern enthält einige wenige Briefe aus der Jugendzeit in Deutschland, 65 der 70 Briefe erreichten die Eltern bereits aus dem Exil. Auch die Eltern, Richard und Elisa Becher, mußten, als Juden verfolgt, Deutschland verlassen und fanden schließlich in den USA ein Asyl. Dieser Briefwechsel ist ein bedeutendes Dokument der Briefkultur im Exil, der Versuch, über Meere und Grenzen hinweg den Zusammenhalt zu wahren, sich über die Fragen der Zeit und die Unzahl persönlicher Probleme des Exils zu verständigen und sich auch über große Entfernungen hinweg gegenseitig beizustehen.

Ulrich Becher wurde 1910 in Berlin geboren, flüchtete 1933 nach Österreich, 1938 in die Schweiz. 1938 wurde er österreichischer Staatsbürger. („Ich bin Österreicher geworden, weil ein Österreicher namens Hitler Deutscher geworden ist.“) 1941 wurde sein „Gesamtwerk“ im Großdeutschen Reich verboten. 1948 kehrte Becher zur Uraufführung des „Bockerer“ nach Wien zurück. Er lebte in Österreich, Deutschland und der Schweiz, seit 1954 überwiegend in Basel und starb dort 1990.