Wir sind nicht das Ende
/

von Carsten Brandau

Drei Jahre lang war sie mit Ziad Jarrah verheiratet. Ziad war ihre große Liebe. Bis er am 11. September 2001 in den USA ein Passagierflugzeug entführt und es in Pennsylvania auf einen Acker abstürzen lässt. Nie war ihr an Ziad etwas aufgefallen. Nichts, was auf diesen 11. September hätte hinweisen können. "Wir sind nicht das Ende" beschreibt eine Nacht im Leben einer Frau, die mit einem der Terrorpiloten von 9/11 verheiratet war. Sie durchlebt eine dieser immer wiederkehrenden Nächte: War ihre Liebe eine große Lüge? Wer war dieser Mensch, den sie geliebt hat? Und wer ist sie, dass ein Mörder sie liebte? Hat er sie überhaupt geliebt? Hat sie diesen Mann, den sie liebte, gar nicht wirklich gekannt...

Das Stück basiert auf einer wahren Begebenheit: Aisha wächst in einer türkischen Familie in Deutschland auf. Sie studiert Medizin, lernt den Libanesen Ziad kennen, die beiden verlieben sich, heiraten – plötzlich bricht Ziad sein Studium ab, um sich in Florida als Pilot ausbilden zu lassen. Am 13. November 2001 übergibt ihr ein Beamter des BKA ein Paket von dem mittlerweile als Terrorpilot identifizierten Ziad. Unterschrieben hatte er mit “Dein Mann für immer”.

Carsten Brandau folgt in dieser intensiven Beziehungsrückschau der Frage, wie viel Distanz zwischen zwei Menschen herrschen kann, die eine Liebesgeschichte verbindet. Die Protagonistin kämpft mit der Ambivalenz der vertrauten privaten Person und der radikalen Tat ihres Mannes. In ihrer Raserei versucht sie immer wieder Erklärungen zu finden, wie sie jemanden jahrelang lieben konnte ohne seine wahre Identität und Weltanschauung zu kennen. Es entwickelt sich ein beklemmendes Wechselspiel zwischen Liebe, Hass und Entfremdung, Täuschung und Offenbarung.

„Wir sind nicht das Ende“  kommt 10 Jahre nach den Ereignissen vom 11. September 2001 in überarbeiteter Form zur österreichischen Erstaufführung im Theater Nestroyhof Hamakom. Das Stück wurde zur deutsch-türkischen Autorenwerkstatt 2005/06 unter Leitung von Feridun Zaimoglu und Sibel Arslan Yesilay eingeladen und nahm an der “Langen Nacht der Autoren” 2006 des FFT Düsseldorf teil (Werkstattinszenierung). Uraufgeführt wurde es 2008 in der Regie von Manuel Harder am Schauspiel Dortmund.

Carsten Brandaus Hörspielbearbeitung von „Wir sind nicht das Ende“ wurde mit dem 1. Preis beim Kurzhörspielwettbewerb "heimspiel" 2008 von 1live (WDR), dem 1. Preis beim "Leipziger Hörspielsommer" (MDR) in der Kategorie "Bester Autor", sowie dem 2. Platz beim ARD-Wettbewerb "Premiere im Netz" 2007, ausgezeichnet.

 

Pressestimmen zur Uraufführung am Theater Dortmund:

„Die Uraufführung von ?Wir sind nicht das Ende?, die Regisseur Manuel Harder in einen Überseecontainer vor dem Dortmunder Opernhaus verlagert hat, zieht den Zuschauer automatisch hinein in Aishas Erinnerungen, Visionen und Selbstgespräche. Man sitzt entlang der Containerwand, die ?Bühne? ist der schmale Gang dazwischen, auf dem die Schauspieler wenige Zentimeter entfernt agieren. Wellen werfende Spiegelfolie lässt das Sehen verschwimmen und zeigt: Unsere Wahrnehmung bleibt stets an der Oberfläche. Was wirklich in einem Menschen steckt, ist unsichtbar. Carsten Brandaus Text ist eine Collage aus einander überlagernden Zeit- und Erzählebenen: Gerade noch spricht Aisha mit Ziad, im nächsten Moment mit dessen Freund. Zu keiner Zeit kann der Zuschauer sich einem linearen Erzählstrom anvertrauen – er bleibt auf der Hut, wird immer wieder aus der Szene gerissen und setzt sich diese fatale Liebesgeschichte aus Bruchstücken zusammen.

Die Regie unterstützt die inhaltlichen Brüche durch formale: Plötzlich erlischt alles Licht, oder es wird durch Mikrophone gesprochen. Vor allem dass mit dem intensiv agierenden, blitzschnell die Maske wechselnden Michael Kamp nur ein Schauspieler besetzt ist, verstärkt den ?Verfremdungseffekt?. Ihre letzte Rolle am Theater Dortmund gehört zu den wohl intensivsten für Birgit Unterweger: Sie brüllt und flüstert, fleht und trotzt, zittert und schwankt hospitalistisch. Eine Frau, die in den Abgrund schaute und nicht mehr herausfindet. Beklemmend."

(Ruhr Nachrichten)