28. September - 21. Oktober 2023

Der Nebel von Dybern
/
Maria Lazar

ÖEA / Eigenproduktion


Not ist, wenn der Schnee das Dach eindrückt,
wenn das Wasser die Mauern wegreißt,
wenn die Krankheit den Menschen frisst.
Wenn aber der Mensch selber den Menschen frisst,
ihm nichts zum Leben lässt, nicht einmal die Luft,
das ist nicht Not, einerlei wen es trifft.
Das ist Krieg.

In und um Dybern herum breitet sich dichter Nebel aus. Zunächst am Fluss, dann auf der Weide. Als der Wind sich dreht, erreicht er das Wirtshaus am Rande und nähert sich schließlich auch der Stadt. Der Nebel sei giftig, sagt man, tödlich für Mensch und Tier, krank werde man davon.

Unter den Bewohner*innen der Stadt kommen Zweifel auf, ob es sich bei dem gelben, nach Senf riechenden Nebel um ein natur- oder gottgegebenes Unglück handelt. Die kritischen Fragen werden lauter und schließlich kommt ein gewagtes Gerücht in Umlauf: Das Gift im Nebel sei keine Strafe Gottes, sondern stamme aus der Chemiefabrik.

Sämtliche Vertreter der Fabrik sowie die von ihnen eingesetzten Kommissionen aus Ärzten und Chemikern bestehen darauf, dass die Fabrik keinesfalls Ursache des Nebels sei. Aber warum, so fragen sich die kritischen Stimmen leise, wurde in der Stadt ein unterirdisches Kino, einem Bunker gleich, mit 700 Plätzen und einem für 14 Tage ausreichenden Sauerstoffdepot erbaut, wenn es doch angeblich nie etwas zu befürchten gab?

Wenn ein Gerücht nicht wahr ist, sperrt man die Leute nicht ein.
Wenn ein Gerücht nicht wahr ist, braucht man kein Militär.


(c) Marcel Köhler

Maria Lazars 1931 geschriebenes Stück stellt Fragen über Verantwortung und Täterschaft in Bezug auf menschengemachte Katastrophen. Giftgas wurde nach dem militärischen Einsatz im Ersten Weltkrieg für viele zum Symbol der Weltvernichtung. Wirtschaftliche und politische Instabilität schürten weitere Ängste.

Der Nebel von Dybern thematisiert, wie Entscheidungsträger*innen sich ihrer Verantwortung entziehen, sich zum Teil der weitreichenden Konsequenzen ihres Handelns nicht einmal bewusst sind oder sein wollen. Menschenleben stehen dabei auf dem Spiel, sowie auch demokratische Werte und die Erhaltung der Umwelt, unseres Lebensraums.

Das Stück widmet sich verschiedenen Formen des Widerstands gegen ein Machtsystem, das gegen das Wohl von vielen und auf das Wohl von wenigen hin ausgerichtet ist. Diese Formen des Widerstands, den die Figuren wählen, reichen von versuchter Aufklärung durch freie Rede, über die Weigerung, Täter*innen und Mitläufer*innen zu unterstützen bis hin zu Sabotage und gezielten Angriffen auf kritische Infrastruktur.

In dem fast 100 Jahre alten Text schwingt auf erstaunlich vielen Ebenen eine große aktuelle Resonanz mit. Auch die drängende Frage der Protagonistin Ist es moralisch vertretbar in eine Welt, die diese Formen angenommen hat, ein Kind zu setzen? scheint heute viele jüngere Menschen angesichts des Klimawandels und weltweiter besorgniserregender politischer Entwicklungen mehr und mehr zu beschäftigen.

Es ist sehr einfach, es gut zu meinen. Darauf kommts nicht an.
Auf was denn sonst?
Man muss das Richtige tun.

Premiere: 28. September 2023, 20 Uhr

Weitere Vorstellungen am 30. September und 4., 6., 7., 11., 12., 13., 14., 18., 20. und 21. Oktober, jeweils um 20 Uhr

Anschließend an die Vorstellung am 18. Oktober findet ein Publikumsgespräch mit dem Team der Produktion statt.

Maria Lazar (c) Literaturhaus Wien / Österreichische Exilbibliothek

1895 in Wien geboren, wächst Maria Lazar in einer zum Katholizismus konvertierten jüdischen Familie auf. 1920 erscheint ihr Debütroman Die Vergiftung, gefolgt von ihrem ersten Bühnenstück Der Henker, das auf der Neuen Wiener Bühne uraufgeführt wird. Ihr zweites Bühnenwerk, Der Nebel von Dybern, erscheint 1932 unter dem Pseudonym Esther Grenen. Kurz nach seiner Uraufführung 1933 in Stettin, wird das Stück nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wieder abgesetzt. Im gleichen Jahr flüchtet Lazar nach Dänemark und 1938 weiter nach Stockholm. Nach schwerer Krankheit nimmt sie sich 1948 im schwedischen Exil das Leben.

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